ERHÖHUNG DER PRODUKTIVITÄT AN ESSIGSÄURE UND FURFURAL IN EINER HOLZ-BIORAFFINERIE

Im Angesicht der globalen Klimaerwärmung und der volatilen Preise für fossile Ressourcen, ist die Umstellung hin zu einer biobasierten Industrie unumgänglich. Das Bioraffineriekonzept zielt dabei, ähnlich wie in konventionellen Raffinerien, darauf ab, Biomasse möglichst vollständig in Energie, Kraftstoffe, Chemikalien und Materialien umzuwandeln. Lignocellulose-Bioraffinerien nutzen dazu Rohstoffe wie Holz oder landwirtschaftliche Abfälle, welche nicht mit der Lebensmittelindustrie konkurrieren.

 

Die Lenzing AG betreibt, eingebunden in die Faserzellstoffproduktion, seit 40 Jahren eine industrielle Bioraffinerieanlage, in welcher Essigsäure und Furfural gewonnen werden. Diese beiden Stoffe bilden sich während der sauren Zellstoffkochung aus der Hemicellulosefraktion von Laubholz. Während der Chemikalienrückgewinnung fallen Essigsäure und Furfural in verdünnter Form in einem wässrigen Nebenstrom an, dem sogenannten Brüdenkondensat. In Lenzings Bioraffinerie wird ein spezielles organisches Extraktionsmittel verwendet, um Essigsäure und Furfural aus dem Brüdenkondensat zu extrahieren. Im Anschluss werden die beiden Stoffe voneinander getrennt und gereinigt. Essigsäure wird hauptsächlich in der Lebensmittelindustrie eingesetzt und Furfural dient als Ausgangsprodukt zur Herstellung einer weiten Palette an speziellen Chemikalien. Durch Verunreinigungen des Bioraffinerie-Extraktionsmittels kommt es allerdings zu Problemen, wie zum Beispiel Ausbeuteverlusten, Phasentrennproblemen und starken Verschmutzungen in verschiedensten Anlagenteilen. Die chemische Struktur dieser Verunreinigungen, sowie deren Einfluss auf die Extraktion von Essigsäure und Furfural, wurden bisher noch nie untersucht.

 

Verunreinigungen vermindern die Anlageneffizienz

Im Rahmen eines COMET-Projekts mit der Lenzing AG wurde das Bioraffinerie-Extraktionsmittel mit verschiedenen Methoden analysiert. Dabei wurden zwei Substanzklassen an Verunreinigungen identifiziert: Zersetzungsprodukte von Furfural und Holzextraktstoffe. In Laborversuchen konnte gezeigt werden wie Furfural unter sauren Bedingungen und erhöhten Temperaturen zu heterogenen Polymeren reagiert. Diese Polymere verursachen eine Dunkelfärbung des Extraktionsmittels und die Bildung von Feststoffpartikeln, welche zur Verkrustung von Anlagenteilen führen. Um diese wieder zu beseitigen sind periodische Reinigungsstillstände notwendig.

 

Außerdem konnte gezeigt werden, dass sich Holzextraktstoffe, welche hauptsächlich aus Fettsäuren und Harzsäuren bestehen, im Bioraffinerie-Extraktionsmittel bis zu hohen Konzentrationen anreichern. Fettsäuren sind Bestandteile der Fette und Öle in Laubholz und Harzsäuren und schützen das Holz vor verschiedenen Pflanzenfressern und Krankheitserregern.

 

Um den Einfluss der Holzextraktstoffe im Extraktionsmittel auf die Extraktion von Essigsäure zu untersuchen, wurden im Labor Versuche mit Modelllösungen durchgeführt. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Holzextraktstoffe das Bioraffinerie-Extraktionsmittel blockieren. Dadurch kommt es, wie in der Grafik dargestellt, zu einer geringeren Extraktionskapazität für Essigsäure. Zusätzlich konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass Holzextraktstoffe die Extraktion von Essigsäure verlangsamen, indem sie eine Barriere an der Oberfläche der Extraktionsmitteltropfen bilden. Holzextraktstoffe verringern somit sowohl die Menge an extrahierter Essigsäure, als auch die Extraktionsgeschwindigkeit.

 

Entwicklung eines Reinigungsverfahrens

Um die ursprüngliche Kapazität des Bioraffinerie-
Extraktionsmittels wiederherzustellen, wurde nach einem kontinuierlichen Reinigungsprozess gesucht. Inspiration kam dabei vom menschlichen Körper: In diesem ist eine Substanz namens Cholin für den Transport von Fettsäuren verantwortlich und verhindert die Akkumulation von überschüssigem Fett in der Leber. Deshalb wurden chemisch verwandte Substanzen, sogenannte Alkanolamine, auf ihre Eignung zur Entfernung der Holzextraktstoffe aus dem Extraktionsmittel gescreent.

 

Es konnte gezeigt werden, dass mit N-methylethanolamin (NMEA) und N,N-Dimethylethanolamin (DMEA) über 99% der Holzextraktstoffe aus dem Bioraffinierie-Extraktionsmittel entfernt werden können. Zusätzlich werden dabei auch alle Feststoffe und ein Teil der gelösten Furfuralpolymere entfernt. Um Rückstände von NMEA bzw. DMEA im Extraktionsmittel zu entfernen, muss dieses mit Wasser gewaschen werden. So wird auf einfache Weise ein gereinigtes Extraktionsmittel erhalten, welches zur Essigsäureextraktion zurück in die Bioraffinerie recycliert werden kann.

 

Um den Reinigungsprozess wirtschaftlich betreiben zu können, muss das gebrauchte Alkanolamin (NMEA, bzw. DMEA) von den entfernten Verunreinigungen getrennt und dem Reinigungsprozess wieder zugeführt werden. In Destillationsversuchen konnte hier gezeigt werden, dass über 99% NMEA bzw. DMEA, sowie das Prozesswasser, als Destillat zurückgewonnen werden können. Die Verunreinigungen (Holzextraktstoffe, Furfuralpolymere und Partikel) verbleiben im Destillationssumpf und können ausgeschleust und anschließend thermisch verwertet werden.

 

Vorteile für industrielle Bioraffinerien

Im Rahmen des Wood K plus Projekts wurden zum ersten Mal die negativen Auswirkungen von Verunreinigungen durch Holzextraktstoffe auf eine industrielle Bioraffinerie gezeigt. In weiterer Folge wurde ein Reinigungsprozess im Labormaßstab entwickelt und in den Pilotmaßstab übertragen. Der patentierte Prozess ist in der Lage störende Verunreinigungen mit Hilfe von vollständig recyclierbaren Chemikalien auf energiesparende Weise zu entfernen. Die Gesamtanlagenverfügbarkeit kann so, durch Erhöhung der Ausbeute und Verringerung von Reinigungsstillständen, erhöht werden. Das gewonnene Wissen und der entwickelte Prozess könnten in Zukunft auch für andere Extraktionsprozesse in der biobasierten Industrie von Nutzen sein.


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