Effizientere Membrananlagen durch besseres Verständnis molekularer Wechselwirkungen

Wechselwirkungen auf molekularer Ebene haben großen Einfluss auf die Effizienz von Membrantrennprozessen. Bei WOOD K plus wurde ihr Einfluss auf die Leistung industrieller Membranfiltrationsanlagen der zellulosebasierten Bioraffinerie untersucht. 

 

In den Bioraffinerieanlagen der Lenzing AG werden Zellstoff und verschiedene Zellulosefasern wie Viskose, Lyocell oder Modal hergestellt. Aus der Ablauge der Zellstoffherstellung werden als Nebenprodukte Essigsäure und Furfural mit hoher Reinheit gewonnen und vermarktet. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind Membrantrenn-verfahren im Einsatz. Membrantrennverfahren trennen die einzelnen Bestandteile einer Lösung auf Grund von deren Größe bzw. in weiterer Folge deren Diffusionskoeffizienten. Die Trennung von Stoffströmen und vor allem das Eindicken verdünnter Lösungen unter Anwendung der Membrantechnik hat großes Potential, da diese Technologie im Vergleich zu thermischen Trenn-prozessen (zB. Rektifikation) weniger energieintensiv ist. Im Bereich der Trinkwasseraufbereitung aus Meerwasser hat die Membrantechnologie (Umkehrosmose) das thermische Pendant (Destillation) bereits fast vollständig verdrängt. Im Bereich komplexer Lösungen mit zahlreichen unterschiedlichen Komponenten, wie sie in der Zellstoff- und Faserproduktion anfallen, ist die Anwendung von Membrananlagen bisher noch nicht so stark implementiert. Um die Membrantechnik auch in diesem Industriezweig vermehrt zur Anwendung zu bringen, ist es notwendig, das Verhalten der Membranen auf Basis der Zusammensetzung der zu trennenden Lösung möglichst genau vorhersagen zu können. Im Wesentlichen setzt sich das Trennverhalten eines Membranprozesses aus zwei Einflussfaktoren  zusammen, einerseits die Interaktion Membran – gelöstes Molekül und andererseits die Wechselwirkung zwischen den gelösten Molekülen untereinander. Für einfache Systeme sind diese Interaktionen seit Jahrzehnten sehr gut beschrieben. Der Einfluss von intermolekularen Wechselwirkungen in Multikomponenten-Lösungen auf das Membrantrennverhalten war hingegen bis dato noch nicht unzugänglich erforscht. 

 

Wechselwirkungen und ihre Folgen

Im Rahmen des COMET Projektes “Advanced Biomass Utilisation: Processes for sustainable Biorefineries” wurden zwei repräsentative Prozessströme der Zellstoff- und Faserproduktion ausgewählt und die Auswirkungen der intermolekularen Wechselwirkungen systematisch betrachtet. Im Bereich der Zellstoffproduktion wurden Experimente mit Sulfitlauge und entsprechenden synthetischen Modelllösungen durchgeführt. Mit den Modelllösungen konnte erstmals gezeigt werden, welche Wechselwirkungen dafür verantwortlich sind, dass sich Moleküle entgegengesetzt ihrer ursprünglichen Diffusionsrichtung bewegen. Dieses Verhalten wurde von anderen Forschungsgruppen schon mehrfach beobachtet und publiziert, die Erklärung im konkreten Stoffsystem war jedoch bis dato nicht gelungen. Weiters wurden Wechselwirkungen von 

Modellsubstanzen mit dem Lignosulfonat – eine polymere Struktur aus phenolischen Bestandteilen – im Detail untersucht und Schlüsse daraus gezogen, welche Wechselwirkungen für den Prozess unterstützend und welche leistungsminimierend wirken. Im Bereich der Viskosefaserproduktion können Membrananlagen eingesetzt werden, um Natronlauge von organischen Verunreinigungen zu befreien und um sie wieder in den Prozess zurückführen zu können. Die durchgeführten Untersuchungen zeigten, dass Wechselwirkungen zwischen organischen Säuren und dem gelösten Xylan einen hohen Einfluss auf die Performance der Membrananlagen haben.

 

Anwendung der Ergebnisse in der Praxis

Durch den anwendungsorientierten Versuchsaufbau können die Ergebnisse direkt auf industrielle Anlagen umgelegt werden. Durch Änderungen an der Prozessführung und den Einsatz neuer Membrane könnte die Effizienz einer der untersuchten Anlagen um ca. 50 % gesteigert werden. Die entsprechenden Großanlagenversuche beim Industriepartner sind angelaufen und die ersten Ergebnisse sind für das erste Halbjahr 2021 zu erwarten. Des Weiteren fließen die Erkenntnisse in die Planung und Auslegung neuer Bioraffinerie- und Dekarbonisierungkonzepte mit ein, in denen die Membrantechnik vermehrt als Schlüsseltechnologie angesehen wird.